Aufgrund dieses Threads hier habe ich mir Die Päpstin mal vorgenommen, bin aber erst bei etwa einem Drittel.
Bisher sind mir ein paar Dinge aufgefallen, die so doch sehr unwahrscheinlich sind:
Das Jahr 814 war bestimmt nicht das kälteste Jahr seit Menschengedenken, sondern lag kurz vor der mittelalterlichen Warmzeit und war somit eher wärmer als kälter im Vergleich zu den Vorjahren. Vielleicht war die Forschung vor 20 Jahren noch nicht so weit, auch ist das eher eine Nebensächlichkeit, aber irritiert hat es mich trotzdem.
Der “Hexenprozess”: Abgesehen davon, dass es zu dieser Zeit noch keine Verurteilung von Hexen als Hexen, sondern höchstens als Ketzer gab, sollten gerade Kleriker wie Johannas Vater davon ausgegangen sein, dass es keine Hexen gibt. Der Hexenglaube wurde von den Landesherren, nicht zuletzt ganz kurz zuvor Kaiser Karl selbst, als unsinnig abgetan. Außerdem bezweifle ich, dass ein Prozess so hätte stattfinden können, da wurde ja nicht einmal kurz nachgehakt.
Dann die Sache mit der Bildung: Wie ich schon sagte, waren es bis ins Hochmittelalter vor allem Frauen, die eine Ausbildung in Rhetorik, antiken Sprachen etc. bekommen haben, während Männer dagegen eher in Waffen ausgebildet wurden. Gut, das betrifft eher den Adel, aber dennoch war eine lesende Frau nicht zwingend völlig ungewöhnlich. Johannas Vater, der Dorfpfarrer, tut aber so, als wäre eine gebildete Frau eine Ausgeburt Satans und würde Gottes Zorn auf sich ziehen. Das passt eher in die Glaubenswelt der frühen Neuzeit.
Die Rolle des Glaubens: Als Tochter des Pfarrers und als Mensch ihrer Zeit hätte der christliche Glaube fest in Johanna verwurzelt sein müssen. Vielleicht hätte es einen kleinen Konflikt mit den Erzählungen der Mutter gegeben, aber Glaubenshandlungen wie Beten, die Beichte etc. gehörten damals eigentlich zum Tagesablauf. Dass Johanna hier schon in jungen Jahren irgendwo zwischen Heidin und Agnostikerin steht, ist für mich schon irgendwie unvorstellbar.
Das hat alles wenig mit der Frage zu tun, ob es eine Päpstin gegeben haben könnte, sondern nur damit, wie Donna W. Cross die Kindheit ihrer fiktiven Figur darstellt und ein Motiv entwickelt, warum eine Frau überhaupt auf den Papstthron will.
Ich muss gestehen, dass ich sehr voreingenommen an dieses Buch herangegangen bin und auch ein wenig nach möglichen Unstimmigkeiten gesucht habe. So richtig schlecht finde ich es bisher nicht, und unspannend ist es auch nicht.
Trotzdem wundert es mich, dass gerade dieses Buch zu den erfolgreichsten historischen Romanen gehört. Neben Die Säulen der Erde und Der Medicus ist es das dritte international bekannte Buch aus diesem Genre, das man eigentlich gelesen haben sollte.